Fälle aus der Praxis: Spätfolgen von Frontzahntraumata – ZWP online – das Nachrichtenportal für die Dentalbranche

2022-05-28 07:50:57 By : Mr. King Huang

Foto: Dr. med. dent. Jörn Noetzel

Mitunter werden röntgenologisch apikale Aufhellungen an Frontzähnen festgestellt, die weder eine Karies noch sonstige klinisch sichtbare Zahnhartsubstanzdefekte aufweisen. Darüber hinaus können Verfärbungen, verkürzte Wurzeln, Verengungen oder Aufweitungen des Wurzelkanals sowie interne oder externe Resorptionen beobachtet werden. Solche Befunde deuten darauf hin, dass der betroffene Zahn in der Vergangenheit ein Trauma erlitten hat – manchmal liegt jenes bereits mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte zurück. Dieser Fachbeitrag stellt einige Fälle mit Spätfolgen von Frontzahntraumata vor.

Bereits Ende der 1980er-Jahre wurde erwartet, dass zukünftig das Zahntrauma bei Kindern und Jugendlichen als größte Bedrohung ihrer Zahngesundheit die Karies und Parodontitis übertreffen wird.1 Je nach Studie beträgt die Prävalenz von Zahnverletzungen bleibender Zähne bei Kindern und Jugendlichen etwa ein Viertel bis ein Drittel: 22 Prozent der Kinder und Jugendlichen,2 34 Prozent der Schulkinder im Alter von elf bis 14 Jahren,3 20 bis 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen.4 Einflussfaktoren sind z.B. das Geschlecht (Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen), der Overjet, Behinderungen, das soziale Umfeld oder Drogenkonsum.5-7 Auch bei Erwachsenen scheint die Häufigkeit von Frontzahntraumata in den letzten Jahren vor allem durch ein verändertes Freizeitverhalten zuzunehmen.8, 9 Umfangreiche epidemiologische Daten dazu fehlen jedoch bislang.

Neben den unmittelbaren Verletzungen nach einem Zahntrauma können zudem Spätfolgen auftreten. Letztere werden – stark vereinfacht ausgedrückt – vor allem nach schwerwiegenden Unfällen, wie z.B. nach Avulsionen und Intrusionen, beobachtet, wohingegen bei rein koronalen Zahnhartsubstanzfrakturen ohne Pulpabeteiligung ein sehr niedriges Risiko für Spätfolgen besteht.10,11 Darüber hinaus hat das Stadium der Wurzelentwicklung einen Einfluss. Im Allgemeinen wirkt sich ein bereits abgeschlossenes Wurzelwachstum eher ungünstig aus, wohingegen Zähne mit noch weit offenem Apex Vorteile haben.11

Die häufigsten Spätfolgen sind Pulpanekrosen (22 Prozent), Pulpakammerobliteration (14 Prozent) sowie externe Wurzelresorptionen (elf Prozent).11 Erstere sind im klinischen Alltag meist gut behandelbar. Dagegen können Obliterationen (sofern eine Behandlung indiziert ist) je nach Ausprägungsgrad bereits eine größere Herausforderung darstellen. Im Fall von Wurzelresorptionen muss differenziert werden. Während die Oberflächenresorption direkt nach dem Trauma entsteht, kaum diagnostiziert werden kann, nach wenigen Wochen selbstständig ausheilt und somit kein Behandlungsbedarf besteht, sind entzündliche Resorptionen und Ersatzresorptionen schwer oder gar nicht therapierbar – die betroffenen Zähne gehen in der Regel langfristig verloren.9,12 Entzündliche Resorptionen können jedoch durch eine rechtzeitige und suffiziente Wurzelkanalbehandlung oftmals vermieden werden.

In einer retrospektiven Untersuchung bei Kindern im Alter bis 15 Jahren traten nach einem durchschnittlichen Untersuchungszeitraum von drei Jahren und zwei Monaten nach dem jeweiligen Unfall in nahezu der Hälfte der Fälle Spätfolgen auf.11 Es ist davon auszugehen, dass bei längeren Untersuchungsintervallen die Inzidenz nochmals höher liegen würde. In der zahnärztlichen Praxis nimmt somit die Therapie von Spätfolgen nach Zahntraumata einen wichtigen Stellenwert ein. Zudem müssen neben den endodontischen nicht selten auch ästhetische Probleme gelöst werden. Im Folgenden werden anhand von fünf Fallbeispielen einige der möglichen Spätfolgen und deren Behandlung dargestellt.

Ein 24-jähriger Patient stellte sich mit dem Wunsch nach ästhetischer Verbesserung der beiden mittleren Oberkieferschneidezähne vor (Abb. 1 und 2). Er berichtete von einem Unfall im Schwimmbad im Alter von elf Jahren, bei dem an Zahn 11 eine Schneidekante frakturierte. Während anfangs regelmäßig durchgeführte Sensibilitätstests stets ein positives Ergebnis gezeigt haben sollen, war nach sechs Jahren an Zahn 21 keine Reaktion mehr auf Kälte nachweisbar. Der Befund von Zahn 21 ergab eine deutliche Verfärbung der Zahnkrone, negative Kältesensibilität, Missempfinden (jedoch keine nennenswerten Schmerzen) bei der Palpation im Vestibulum, ein großes Kanallumen sowie eine periapikale Aufhellung. Zahn 11 zeigte eine nur leichte Verfärbung, positive Sensibilität, eine verkürzte Wurzel und einen verengten Wurzelkanal (Abb. 3). Beide Zähne wiesen eine physiologische Beweglichkeit auf, pathologische Sondierungstiefen lagen nicht vor. Die allgemeine Anamnese des Patienten war unauffällig.

An Zahn 21 wurde daraufhin eine Wurzelkanalbehandlung durchgeführt (Abb. 4), wobei aufgrund des bereits erheblichen Kanalquerschnitts im koronalen und mittleren Drittel ein spürbarer Abtrag des Kanalwanddentins vermieden werden sollte. Als Spüllösungen wurden NaOCl sowie EDTA verwendet und mit Ultraschall aktiviert, die Füllung des Wurzelkanals erfolgte mittels Guttapercha und einem Sealer (AH Plus, Dentsply Sirona).

Danach sollte ein internes Bleichen des Zahns 21 durchgeführt werden. Dazu wurde zunächst auf die tief abgetrennte Wurzelkanalfüllung eine ca. 1,5 mm dicke Unterfüllung (Glasionomerzement, Ketac Fil Plus, 3M) appliziert, um eine Penetration des Bleichmittels in erstere zu vermeiden (Abb. 5). Zum Einsatz kam eine Mischung aus Natriumperborat und Wasser, die insgesamt dreimal im Abstand von jeweils etwa einer Woche ausgetauscht wurde (Walking-Bleach-Technik). Der Dentinkern hatte daraufhin die gewünschte (ursprüngliche) Farbe erreicht, jedoch war das Ergebnis im Schmelzbereich noch nicht zufriedenstellend, sodass sich an diesem und am leicht verfärbten Nachbarzahn 11 ein zweimaliges externes Bleichen (In-Office-Bleaching, 38-prozentiges Wasserstoffperoxidgel) anschloss (Abb. 6). Vier Wochen später wurde die alte Füllung an Zahn 11 entfernt und die Schneidekante erneut adhäsiv mit Komposit (Tetric EvoCeram, Ivoclar Vivadent, Enamel Plus HFO, Loser & Co) aufgebaut (Abb. 7-9).

Die Kontrolluntersuchung rund ein Jahr danach zeigte an beiden Zähnen klinisch gesunde parodontale Verhältnisse. Der Patient hatte keinerlei Beschwerden. Röntgenologisch konnte eine Ausheilung der apikalen Läsion an Zahn 21 festgestellt werden. Es wurden keine Anzeichen von resorptiven Prozessen und einer weiteren Kanalobliteration an Zahn 11 gefunden (Abb. 10).

Die an beiden mittleren Schneidezähnen entstandenen Veränderungen sind als Folge des Schwimmbadunfalls anzusehen, bei dem der damals elfjährige Patient ausrutschte und mit dem Gesicht auf ein Sprungbrett aufschlug. An Zahn 11 kam es dabei zum Verlust der Schneidekante. Beide Zähne sollen leicht gelockert gewesen sein, eine Reposition war nicht notwendig und wurde auch nicht durchgeführt. Unter diesen Umständen erscheint eine starre adhäsiv befestigte Schiene, wie sie über ganze acht Wochen appliziert gewesen sein soll, kontraindiziert. Schienungen reponierter oder gar replantierter Zähne sollten zwar eine ausreichende Stabilisierung des verletzten Zahns gewährleisten, jedoch weiterhin die physiologische Beweglichkeit für eine funktionelle Stimulation zur Reparation der parodontalen Gewebe ermöglichen.13,14 Eine Immobilisierung durch starre Schienungen führt vermehrt zu irreversiblen Schäden des Parodontiums (Ersatzgewebsresorptionen mit Ankylose).15 Glücklicherweise war es bei diesem Patienten nicht zu solchen Defekten gekommen. Vermutlich hätte hier sogar eine Nahrungsumstellung auf weiche Kost genügt.

Nach Entfernung der Schiene war die Schneidekante von Zahn 11 mit Komposit rekonstruiert worden. Bei den sich anschließenden regelmäßigen Kontrollen soll die Sensibilität an beiden Zähnen über einem Zeitraum von etwa sechs Jahren noch positiv gewesen sein. Danach verspürte der Patient an Zahn 21 keinen Temperaturreiz mehr und eine zunehmende Verfärbung des Zahns trat ein. Die klinische Erfahrung zeigt allerdings, dass Kältetests bei jungen Patienten auch falsch-positive Ergebnisse liefern können (siehe Fallbeispiel 2). Es ist daher unklar, ob Zahn 21 tatsächlich noch über mehrere Jahre sensibel und damit vital gewesen ist. Eine Perkussionsempfindlichkeit durch Klopfen oder Schmerzen bei Kaubelastung soll zu keiner Zeit bestanden haben. Bei der Erstvorstellung in unserer Sprechstunde 13 Jahre nach dem Unfall gab der Patient ein leichtes Missempfinden bei der Palpation im Vestibulum im Bereich der Wurzelspitze an. Auf dem daraufhin angefertigten Röntgenbild ist eine apikale Aufhellung an Zahn 21 erkennbar. Der Zahn war karies- und füllungsfrei. Bei solchen Befunden ist meist von einem früheren Trauma auszugehen.

Bei Dislokationsverletzungen kommt es zum Zeitpunkt des Unfalls zu einer Schädigung (Quetschung, Zerrung, Abriss) des neurovaskulären Bündels im apikalen Bereich. Je nach Schweregrad kann es lediglich zu einer temporären Minderdurchblutung der Pulpa kommen, die reversibel ist und zu keinen bleibenden Schäden führt. In schwerwiegenderen Fällen kann eine Obliteration des Wurzelkanals oder eine Pulpanekrose folgen.11 Auch hier ist von solch einer Schädigung auszugehen, die aber scheinbar nicht zu einem zeitnahen Absterben der Pulpa von Zahn 21 geführt hat, denn der Sensibilitätstest soll noch über mehrere Jahre positiv gewesen sein. Allerdings kann vermutet werden, dass zumindest eine (symptomlose) chronische Pulpitis die Folge war, die letztlich zu einer sterilen Nekrose geführt hat. Nach momentanem Kenntnisstand kann durch eine sterile Pulpanekrose keine apikale Parodontitis entstehen. Demzufolge muss es im Anschluss zu einer mikrobiellen Infektion des Wurzelkanalsystems gekommen sein. Der in der Vergangenheit immer wieder diskutierte hämatogene Weg wird heutzutage als höchst unwahrscheinlich eingeschätzt. Ein möglicher Infektionsweg ist jedoch eine durch das Trauma entstandene Infraktur, über die im Laufe der Jahre eine Penetration von Bakterien in das Wurzelinnere geschehen kann. Während der Behandlung an Zahn 21 mithilfe des Mikroskops war eine solche nicht festzustellen und kann folglich mit hoher Sicherheit ausgeschlossen werden. Bei einer Infraktur, die groß genug für ein bakterielles Eindringen ist, wäre zudem die Langzeitprognose des Zahns infaust. In der Regel penetrieren Bakterien über freiliegende Dentintubuli (im Zervikalbereich) ins Zahninnere, da der pulpale Druck, der bei einem vitalen Zahn das Eindringen verhindert, nach einer sterilen Nekrose verloren gegangen ist. Somit kommt es zu einer Besiedelung des Wurzelkanals und schließlich zu einer Parodontitis apicalis, die man zeitverzögert röntgenologisch als Aufhellung erkennen kann.

Klinisch wurde nach der Trepanation ein leerer gewebeloser Wurzelkanal vorgefunden, der koronalwärts bereits so stark konisch aufgeweitet war, dass selbst ein Gates-Glidden-Bohrer der Größe 6 keinen zirkulären Wandkontakt aufwies. Die Form der Aufweitung sprach jedoch gegen ein (ehemaliges) internes Granulom. Um das Fraktur- und Perforationsrisiko gering zu halten, wurde lediglich eine äußerst vorsichtige mechanische Bearbeitung (ein „Abfahren“ der Kanalwände im Sinne einer Biofilmentfernung) vorgenommen. Umso wichtiger war die chemische Reinigung, die mit ultraschallunterstützten großvolumigen Spülungen von EDTA und Natriumhypochlorit vorgenommen wurde. An diese schloss sich die einwöchige Einlage von Kalziumhydroxid an.

Aufgrund der fehlenden apikalen Konstriktion musste bei der Wurzelkanalfüllung auf eine exakte Klemmpassung des Masterpoints geachtet werden, um einen übermäßigen Sealerpuff zu vermeiden. Alternativ wäre auch die Applikation eines Plugs mit mineralischem Trioxidaggregat möglich gewesen.16

Am Zahn 11 fielen röntgenologisch das verkleinerte Pulpakavum, der verengte Wurzelkanal und die etwas kürzere Wurzel auf. Ein normal dimensionierter Parodontalspalt war apikal jedoch vorhanden (Abb. 3). Es ist zu vermuten, dass ein noch nicht abgeschlossenes Wurzelwachstum durch das Trauma unvollendet blieb. Daneben kam es zu einer weitgehenden Obliteration der Pulpakammer. Dennoch reagiert der Zahn nach wie vor eindeutig sensibel auf Kälte. Auch die Existenz einer seit Jahren bestehenden symptomlosen chronischen Pulpitis muss in Betracht gezogen werden. Regelmäßige Sensibilitätsprüfungen und röntgenologische Kontrollen (hinsichtlich einer weiteren Obliteration sowie externer und interner Resorptionen) sind daher auch zukünftig notwendig.

Neben dem endodontischen Problem musste auch das ästhetische gelöst werden. Nach der Wurzelkanalbehandlung wurde ein internes Bleichen am Zahn 21 vorgenommen. Offensichtlich war der Diffusionsweg bis in den Zahnschmelz zu groß, sodass anschließend auch ein externes Bleichen erfolgen musste. Auch der noch vitale Zahn 11 wies eine etwas dunklere Farbe als die übrigen Frontzähne auf. Die Ursache dafür ist in einer vermehrten Dentinapposition im Kronenkavum zu suchen. Folglich wurde auch dieser Zahn extern gebleicht. Einen Monat später wurde der Kompositaufbau erneuert. Bleaching-Produkte hinterlassen für einige Tage reaktive Moleküle in den Zahnhartsubstanzen, die womöglich die Haftwerte bei der Adhäsivtechnik reduzieren. Die wissenschaftlichen Daten dazu sind nicht eindeutig. Während einige Studien einen negativen Effekt nachweisen konnten, zeigten andere keinen signifikanten Einfluss.17 Aufgrund der bestehenden Unklarheit ist es sicher nicht nachteilig, mindestens zwei Wochen mit der Applikation von Kompositfüllungen zu warten. Zudem ist in den ersten Tagen nach der Bleichtherapie mit einem leichten Nachdunkeln des Zahns zu rechnen, sodass eine adäquate Beurteilung des erreichten Ergebnisses und die Auswahl der korrekten Kompositfarben auch erst verzögert erfolgen können.

Als Unterfüllung vor dem internen Bleichen zum Schutz der Wurzelkanalfüllung vor eindringendem Bleichmittel wurde Glasionomerzement verwendet. Dies ist keine evidenzbasierte Entscheidung. Allerdings liegt es nahe, dass bei einer alternativen Verwendung von Komposit die Gefahr besteht, weite Teile des Dentins innerhalb der Trepanationsöffnung mit dem Adhäsivsystem zu versiegeln und damit die Bleichwirkung einzuschränken. Unabhängig davon ist immer darauf zu achten, dass die nach der Applikation der Unterfüllung verbleibende koronale Kavität bis leicht nach subgingival ausgedehnt ist, um auch im zervikalen Bereich eine suffiziente Aufhellung erzielen zu können (Abb. 5).

Langfristig bleibt abzuwarten, ob das externe Bleichen des Zahns 11 eine zusätzliche Reizung des verbliebenen Pulpagewebes ausgelöst hat und womöglich eine weitere Obliteration oder gar Nekrose befördert. Aus ästhetischer Sicht erscheint die Dauerhaftigkeit des Bleichens beider Zähne von Interesse. Bei der Kontrolluntersuchung nach gut einem Jahr konnten diesbezüglich noch keine Auffälligkeiten beobachtet werden (Abb. 10).

Galerie Abb. 1: Die erhebliche Verfärbung des Zahns 21 und ein ästhetisch unbefriedigender Kompositaufbau an Zahn 11 prägen die Ausgangssituation. © Dr. med. dent. Jörn Noetzel Abb. 2: Insbesondere bei der Ansicht von palatinal sind die Randspalten am Kompositaufbau deutlich erkennbar. © Dr. med. dent. Jörn Noetzel Abb. 3: Das präoperative Röntgenbild zeigt u.a. die ausgeprägte Trichterform des Wurzelkanals an Zahn 21. © Dr. med. dent. Jörn Noetzel Abb. 4: Eine besonders stark verfärbte Zone hat sich im Bereich der Schmelz-Dentin-Grenze gebildet. Die Trepanationsöffnung wurde im Zuge der Behandlung noch nach inzisal erweitert. © Dr. med. dent. Jörn Noetzel Abb. 5: Die Kontrollaufnahme nach der Wurzelkanalfüllung lässt im Vergleich zum präoperativen Röntgenbild die Bemühung erkennen, die Kanalwände nicht noch weiter auszudünnen. © Dr. med. dent. Jörn Noetzel Abb. 6: Nach dem internen Bleichen von Zahn 21 wurden abschließend beide Zähne extern gebleicht. © Dr. med. dent. Jörn Noetzel Abb. 7: Kavitätenpräparation an Zahn 11 vor Applikation des neuen Kompositaufbaus. © Dr. med. dent. Jörn Noetzel Abb. 8: Zustand nach Abschluss der Behandlungsmaßnahmen. © Dr. med. dent. Jörn Noetzel Abb. 9: Im Bereich der (abradierten) Schneidekante von Zahn 21 konnte keine vollständige Farbangleichung erzielt werden, was jedoch vom Patienten nicht als störend empfunden wurde. © Dr. med. dent. Jörn Noetzel Abb. 10: Nach gut einem Jahr scheint die apikale Region an Zahn 21 entzündungsfrei zu sein. © Dr. med. dent. Jörn Noetzel Abb. 11: Präoperatives Röntgenbild mit einem in den Fistelgang eingeführten Guttapercha-Point. © Dr. med. dent. Jörn Noetzel Abb. 12: Zustand mit gesunden periapikalen Verhältnissen ein Jahr später. © Dr. med. dent. Jörn Noetzel Abb. 13: Großvolumiger Wurzelkanal und lateral gelegene periapikale Aufhellung. Zudem fällt ein erweiterter Parodontalspalt mesial im zervikalen Wurzeldrittel auf. © Dr. med. dent. Jörn Noetzel Abb. 14: Wurzelkanalfüllung mit darauf applizierter Unterfüllung (etwas geringere Röntgenopazität). Leider musste relativ viel von dem die Pulpakammer umgebenden Dentin entfernt werden, da dieses eine reduzierte Härte (ledrige Konsistenz) aufwies. © Dr. med. dent. Jörn Noetzel Abb. 15: Die letzte Röntgenkontrolle neun Jahre nach der Behandlung zeigt eine vollständige parodontale Regeneration. © Dr. med. dent. Jörn Noetzel Abb. 16: Periapikale Aufhellung mittlerer Größe bei gleichzeitigem marginalen Knochenabbau. © Dr. med. dent. Jörn Noetzel Abb. 17: Der zweite Wurzelkanal an den Unterkieferinzisivi ist meist lingual zu finden. © Dr. med. dent. Jörn Noetzel Abb. 18: Blick in die Zugangskavität nach vollständiger Aufbereitung beider Wurzelkanäle. © Dr. med. dent. Jörn Noetzel Abb. 19: Tief abgetrennte Wurzelkanalfüllungen vor dem adhäsiven Verschluss. © Dr. med. dent. Jörn Noetzel Abb. 20: Die letzte Kontrolle fünf Jahre danach zeigt eine vollständige apikale Ausheilung. © Dr. med. dent. Jörn Noetzel Abb. 21: Eine ausgedehnte Läsion, die bis zum benachbarten Zahn 41 reicht, prägt die Ausgangssituation. © Dr. med. dent. Jörn Noetzel Abb. 22: Auf der Röntgenmessaufnahme erscheint die Aufhellung noch prägnanter. © Dr. med. dent. Jörn Noetzel Abb. 23: Vollständige parodontale Heilung auch bei der bisher letzten Röntgenkontrolle dreieinhalb Jahre später. © Dr. med. dent. Jörn Noetzel

Ein 13-jähriger Patient wurde von der Hauszahnärztin überwiesen, da zwischen den Zähnen 21 und 22 eine deutliche vestibuläre Schwellung und ein Fistelmaul bestanden. Die Schmerzen bezeichnete der Patient als eher schwach. Diese Symptomatik ist nicht ungewöhnlich und kann in solchen Fällen oftmals beobachtet werden, da über den unter Umständen frühzeitig gebildeten Fistelgang entzündliches Sekret problemlos abfließen kann. Beide Zähne waren karies- und füllungsfrei. Somit deutete alles auf eine Spätfolge eines Traumas hin, auch wenn sich weder der Patient noch die ihn begleitende Mutter an einen entsprechenden Unfall in der Vergangenheit erinnern konnten.

Für das präoperative Röntgenbild wurde ein Guttapercha-Point in den Fistelgang zu dessen Darstellung eingeführt. Die Aufhellung lag – wie auch die vestibuläre Schwellung – hauptsächlich zwischen den Zähnen 21 und 22 (Abb. 11). Die klinische Untersuchung zeigte ebenfalls kein eindeutiges Ergebnis, da der Patient auch nach mehrfachen Sensibilitäts- und Perkussionstests an diesen beiden und weiteren benachbarten Zähnen angab, keine Unterschiede feststellen zu können. Das heißt, auch an Zahn 22 spürte er einen mit den Nachbarzähnen vergleichbaren Kältereiz.

Jedoch gab es Indizien, die für den Zahn 22 als Ursache der Schwellung sprachen. Zum einen die Form der röntgenologischen Aufhellung: Sie war an der mesialen Seite der Wurzel von Zahn 22 großflächiger als an der distalen von Zahn 21 (Übergang zwischen zervikalem und mittlerem Wurzeldrittel). Zum anderen waren an eben dieser Wurzelseite von Zahn 22 zwei laterale Kanäle zu finden (apikales Drittel), die im Zentrum der Aufhellung lagen. Aufgrund ihrer ungewöhnlichen Größe konnten zusätzliche resorptive Prozesse vermutet werden. Darüber hinaus war an der distalen Wurzelwand eine längliche Aufhellung zu finden. Schließlich zeigte auch die Spitze des in den Fistelgang eingeführten Guttapercha-Points in Richtung des Apex von Zahn 22. Dennoch wurde bei der Trepanation des Zahns zunächst auf eine Lokalanästhesie verzichtet, um zusätzliche Gewissheit zu erhalten. In der Tat empfand der Patient dabei keine Schmerzen. Bei der Eröffnung des Wurzelkanals wurden keinerlei Gewebereste mehr vorgefunden – ein sicheres Zeichen für eine fortgeschrittene Pulpanekrose und eine Bestätigung dafür, die richtige Therapieentscheidung getroffen zu haben.

Die Wurzelkanalfüllung wurde konventionell mit Guttapercha und einem Sealer vorgenommen. Wegen der ungewöhnlich großen lateralen Kanäle barg diese Vorgehensweise natürlich die Gefahr eines unkontrollierten Überpressens von Füllmaterial, was jedoch glücklicherweise auf dem Abschluss- und späteren Recall-Röntgenbild nicht beobachtet werden konnte. Auf eine Verwendung von mineralischem Trioxidaggregat wurde hier allerdings bewusst verzichtet, um eine nachfolgende Verfärbung dieses Schneidezahns zu vermeiden.16,18 Bei der Kontrolluntersuchung rund ein Jahr danach konnte klinisch und röntgenologisch eine vollständige Ausheilung festgestellt werden (Abb. 12). Der benachbarte Zahn 21 war weiterhin vital.

Dieser Fall einer zum Zeitpunkt der Erstvorstellung 50-jährigen Patientin ist bemerkenswert, da das Ereignis, das zu einem Trauma an Zahn 21 führte, bereits im Alter von etwa zehn Jahren geschah. Die Hand oder der Arm einer Mitschülerin traf die Patientin beim Volleyballspielen. Weder direkt nach dem Unfall noch in den folgenden vier Jahrzehnten soll irgendeine Behandlung an diesem Zahn stattgefunden haben. Jedoch fiel der Patientin wenige Jahre nach dem Unfall eine zunehmende Verfärbung der Zahnkrone auf, aber Schmerzen hätte sie danach zu keiner Zeit verspürt. Welche Form des Zahntraumas damals aufgetreten war, ist unbekannt. Vermutet werden kann eine mittelschwere Dislokationsverletzung.

Zu Behandlungsbeginn war der Sensibilitätstest an Zahn 21 negativ, der Perkussionstest unauffällig. Der Zahn war karies- und füllungsfrei. Zahnhartsubstanzfrakturen konnten nicht festgestellt werden. Das Röntgenbild zeigte einen großvolumigen Wurzelkanal, was ein Hinweis darauf ist, dass die Pulpa bald nach dem Unfall abgestorben sein muss (vermutlich anfangs sterile Nekrose mit nachfolgender mikrobieller Besiedelung des Wurzelkanals) und die Wurzelentwicklung somit unvollständig blieb. Des Weiteren war eine leicht lateral gelegene periapikale Aufhellung zu erkennen (Abb. 13).

Nach der Wurzelkanalfüllung (Abb. 14) wurde der Zahn intern (Walking-Bleach-Technik, zwei jeweils einwöchige Einlagen) und abschließend extern (In-Office-Bleaching) gebleicht. Die letzte Kontrolle erfolgte im Oktober 2021 – also neun Jahre nach Abschluss der Behandlung. Das Röntgenbild zeigte parodontal gesunde Verhältnisse (Abb. 15). Klinisch war ein leichtes Nachdunkeln der Zahnkrone festzustellen, was jedoch von der Patientin momentan noch als akzeptabel eingestuft wurde. Es ist davon auszugehen, dass zu einem späteren Zeitpunkt ein Nachbleichen notwendig werden wird.

Dieses Beispiel zeigt, dass auch Zähne, bei denen das Trauma und die nachfolgende Pulpanekrose bereits mehrere Jahrzehnte zurückliegen, erfolgreich behandelt werden können.

Der Patient (damals 52 Jahre alt) war auf der Suche nach einem neuen Hauszahnarzt. Beschwerden lagen keine vor. Im Rahmen der Erstuntersuchung wurde eine sehr milde Verfärbung von Zahn 31 festgestellt. Der Zahn war karies- und füllungsfrei. Der Sensibilitäts- und der Perkussionstest waren negativ. Das Röntgenbild zeigte an diesem Zahn eine apikale Aufhellung (Abb. 16). Zudem wies der Patient an allen Zähnen einen marginalen Knochenabbau durch eine generalisierte chronische Parodontitis auf. Nach aktueller Klassifikation der Parodontitiden entspräche dieser Befund Stadium II. Anamnestisch konnte sich der Patient an einen Unfall beim Sport erinnern, der etwa 20 bis 30 Jahre zurücklag. Dabei kam es zu einem heftigen Schlag auf die Unterkieferfrontzähne. Weitere Ereignisse, die den Frontzahnbereich betrafen, waren dem Patienten nicht bewusst. Eine Behandlung wurde an diesem Zahn zu keiner Zeit vorgenommen, auch eine Sensibilitätskontrolle soll nie erfolgt sein. Die Verfärbung war dem Patienten bislang nicht aufgefallen. Die Wurzelkanalbehandlung (zwei Kanäle) wurde in einer Sitzung durchgeführt und die Zugangskavität unmittelbar danach mit Komposit verschlossen (Abb. 17-19). Da nur eine geringgradige Verfärbung der Zahnkrone vorlag, die der Patient zudem als nicht störend empfand, wurde auf ein Bleaching verzichtet. Die bisher letzte Kontrolluntersuchung fand fünf Jahre danach statt. Apikal konnte eine vollständige Regeneration beobachtet werden (Abb. 20).

Diese Patientin befand sich bereits seit sechs Jahren in unserer Praxis in Behandlung. Dabei wurden lediglich halbjährliche Kontrolluntersuchungen und professionelle Zahnreinigungen durchgeführt. Restaurative Maßnahmen waren bis dahin nicht notwendig. Neben Bissflügelaufnahmen zur Kariesdiagnostik hatte es keine Indikation für weitere Röntgenbilder gegeben. Im Alter von 24 Jahren wurden jedoch bei einer solchen Routinekontrolle eine Gingivarötung und ein Fistelgang an Zahn 31 festgestellt. Die Patientin hatte keine Schmerzen und der beschriebene Befund war ihr noch gar nicht aufgefallen. Der Zahn war karies- und füllungsfrei, die Sensibilität negativ, eine Verfärbung der Krone lag nicht vor. Auf Nachfrage gab die Patientin an, dass sie im Alter von 14 Jahren beim Sportunterricht gestürzt sei, bei dem ein oder mehrere Unterkieferschneidezähne involviert waren. Beim zahnärztlichen Notdienst erfolgten damals wohl keine Behandlungsmaßnahmen. Sie selbst hatte die Verletzung zudem als nicht besonders stark empfunden. Da im gesamten Zeitraum danach keine Beschwerden aufgetreten waren, hatte sie diesen Unfall nicht bei der Anamnese angeführt.

Zum Zeitpunkt des Unfalls befand sich die Patientin in kieferorthopädischer Behandlung mit einer festsitzenden Apparatur. Denkbar ist, dass sie einen elastischen Bogen (NiTi-Legierung) trug, der die für eine irreversible Schädigung des neurovaskulären Gefäßbündels am Apex notwendige Auslenkung des Zahns zuließ. Alternativ käme der durch den Sturz verursachte Abriss eines oder mehrerer Brackets in Betracht, wodurch ebenfalls eine entsprechende Dislokation des Zahns ermöglicht wird. Da das Ablösen von Brackets immer wieder auch im Alltag auftreten kann und somit die Wiederbefestigung für manche in kieferorthopädischer Behandlung befindliche Teenager nichts Außergewöhnliches darstellt, könnte die unfallbedingte Wiederbefestigung bei der Patientin in Vergessenheit geraten sein. Nach Abschluss der kieferorthopädischen Behandlung (im Alter von 16 Jahren, etwa zwei Jahre nach dem Unfall) war an den unteren Frontzähnen ein Retainer angebracht worden. Diesen empfand die Patientin mittlerweile ohnehin als störend (insbesondere bei der Interdentalraumhygiene), sodass er vor der Wurzelkanalbehandlung in Absprache mit dem KFO-Kollegen zunächst durchtrennt, schließlich vollständig entfernt und durch einen Positioner ersetzt wurde, wodurch sich zugleich die Applikation und Abdichtung des Kofferdams einfacher gestaltete (Abb. 21 und 22). Im Gegensatz zu Fall 4 besaß dieser Zahn nur einen Wurzelkanal, der jedoch einen in vestibulolingualer Richtung länglichen Querschnitt aufwies. Aufgrund terminlicher Gründe seitens der Patientin wurde die Behandlung zweizeitig vorgenommen. Am zweiten Termin (17 Tage später) waren der Fistelgang bereits vollständig verschlossen und die Gingiva abgeheilt. Auch hier zeigten sich wieder bei allen Nachkontrollen röntgenologisch eine vollständige knöcherne Regeneration (Abb. 23) sowie klinisch gesunde parodontale Verhältnisse.

Im klinischen Alltag wird man in regelmäßigen Abständen mit Spätfolgen von Frontzahntraumata konfrontiert. Wenn man bedenkt, dass vermutlich etwa jedes vierte oder gar dritte Kind einen Zahnunfall erleidet, auch Erwachsene betroffen sein können und schließlich bei der Hälfte wiederum Spätfolgen auftreten werden, verwundert dies nicht. Die hier dargestellten sowie zahlreiche weitere in unserer Praxis behandelten Fälle haben gemein, dass meist keine nennenswerte Schmerzsymptomatik vorlag. Nicht selten sind Spätfolgen Zufallsbefunde. Fehlende Kältesensibilität, Verfärbungen der Zahnkrone bei oftmals gleichzeitiger Absenz von Füllungen oder kariösen Läsionen sind typische klinische Merkmale. Manchmal sind Gingivaschwellungen und Fistelgänge an den betroffenen Zähnen vorhanden. Röntgenologisch sind meist apikale Aufhellungen zu finden. Aber auch obliterierte oder im Gegensatz dazu großvolumige Wurzelkanäle, unvollständig entwickelte und verkürzte Wurzeln sowie resorptive Prozesse können beobachtet werden. Sowohl die eigenen klinischen Erfahrungen als auch einige retrospektive Studien zeigen jedoch, dass die allermeisten Zähne durch eine suffiziente endodontische Behandlung langfristig erhalten bleiben können. Ausnahmen stellen Zähne mit externen Wurzelresorptionen (vor allem Ersatzresorptionen) dar. Die typischen ästhetischen Probleme sind in der Regel durch Bleichtherapien und direkte Kompositrestaurationen sehr gut behandelbar.

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