Seltene Erden sind für Elektroautos weder selten noch unverzichtbar - Blick

2021-11-29 08:18:28 By : Ms. Lily Zeng

Sobald es um Elektromobilität geht, dreht sich irgendwann die Diskussion um die Seltenen Erden. Ihre Demontage verursacht unglaubliche Schäden, sie stecken in den E-Auto-Batterien und sind bald leer, heißt es oft. Aber was hat es mit dem Mythos Elektroauto auf sich? Blick hat sich mit Seltenen Erden beschäftigt.

Sie heißen zunächst nur so, sind aber meistens nicht selten: Die 17 Elemente der „Seltenerdmetalle“ (der richtige Name lautet Seltenerdmetalle) kamen einst nur in seltenen Materialien vor. Aber sie sind manchmal so häufig wie Kupfer. Im Jahr 2020 wurden 240.000 Tonnen gefördert. Bekannte Reserven: 120 Millionen Tonnen. Größere Reserven werden beispielsweise in Grönland vermutet. China verfügt über die größten der bekannten Lagerstätten. Auch Australien oder Brasilien, Indien oder Russland, die USA oder Vietnam verfügen über bedeutende Vorkommen.

Seltene Erden finden sich in Plasmafernsehern und Röntgengeräten, Festplatten und Kopfhörern, Leuchtstoffröhren und LED-Lampen und, und, und. Übrigens auch in Katalysatoren und Rußfiltern in Verbrennerautos. Und im Elektroauto? Dort befinden sie sich nicht, wie oft angenommen, in der Batterie. Aber im Elektromotor.

Die aus Automobilsicht wichtigste Seltene Erde ist Neodym für starke Permanentmagnete in Elektromotoren. Neodym findet sich auch in Festplatten, Lautsprechern, Windkraftanlagen – und Smartphones. Es sind rund 0,4 Gramm pro Smartphone und bis zu drei Kilo pro Elektroauto-Motor. Wenn der Autohersteller nicht darauf verzichtet, ist das aktuell der Trend mit hoher Nachfrage und schwankenden Preisen (derzeit ca. 90 Fr./kg).

Die Preise schwanken, weil China Poker spielt. Als Land mit den größten Reserven an Seltenen Erden hat China zuerst Dumping gemacht und andere Länder aus dem Geschäft gebracht. Als Quasi-Monopolist trieb China den Neodympreis auf 230 Franken an und drohte gerne mit einer Knappheit bei Handelsstreitigkeiten. Die Ironie des zynischen Spiels: So hat sich der Abbau von Neodym für andere wieder gelohnt. Der Preis ist gefallen und dürfte sich Experten zufolge nun auf hohem Niveau stabilisieren. Chinas Neodym-Anteil heute: über 80 Prozent.

Aber nur: es geht auch ohne. Beispiele: Der iX3 von BMW verwendet weder Neodym noch andere Seltene Erden. Auch i4 oder iX, Renault Zoe oder Nissan Ariya oder Frontmotoren in VWs 4x4 ID sowie diverse andere Modelle können auf Neodym verzichten. Permanenterregte Motoren (mit Neodym) haben Effizienzvorteile. Von außen angeregt (ohne Neodym) "segeln" besser. Der Verzicht ist vor allem aus Preis- und Versorgungssicherheitsgründen, vor allem aber aus Ökologie- und Imagegründen.

Denn China hat seine Position als größter Lieferant von Seltenen Erden zu Lasten von Umwelt und Menschen ausgebaut: Während in westlichen Ländern strenge Auflagen gelten, sind in China Unmengen, teilweise sogar radioaktiver Giftschlamm, in freier Wildbahn gelandet (China hat versprochen Verbesserung, aber wie gut die neuen Anforderungen eingehalten werden, ist ungewiss). Ganz zu schweigen von den Arbeitsbedingungen im chinesischen Bergbau hier.

Beim Kauf eines Smartphones interessiert sich niemand, aber der Fokus liegt auf Elektroautos. Deshalb setzen die Hersteller wie Lithium oder Kobalt (keine Seltenen Erden) der Batterien auf ökologisch und sozial vertretbare Lieferketten, suchen nach Alternativen – und forschen am Recycling. Das funktioniert: 96 Prozent recycelte Neodym-Magnete sind so gut wie neu.