Frankfurt Höchst: Krankenhaus-Neubau bekommt Zertifikat als Passivhaus – kma Online

2022-07-02 05:47:48 By : Ms. Meili Liu

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Es piept, es brummt, es leuchtet. Wer im Krankenhaus liegt, merkt schnell, dass ohne Energie wenig geht. Röntgengeräte, Beatmung, Überwachung, all das braucht Energie. 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Krankenhäuser sind Energiefresser. Eigentlich. Dass es anders geht, zeigt das erste Krankenhaus mit Passivhaus-Standard.

(v.l.) Dr. Jürgen Schnieders, Geschäftsführer Passivhaus Institut, Darmstadt; Tarek Al-Wazir, Hessischer Wirtschaftsminister, Rosemarie Heilig, Dezernentin für Klima, Umwelt und Frauen, Stadt Frankfurt am Main, Martin Menger, Geschäftsführer Varisano Kliniken Frankfurt-Main-Taunus mit dem Zertifikat für das weltweit erste Krankenhaus im Passivhaus-Standard.

Blick von einem begrünten Lichthof zum Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach.

Es gibt ein Problem mit unserem Energiehaushalt. Wie krisenhaft die Lage ist, zeigt sich spätestens seit Beginn des Ukraine-Kriegs. Wir haben jedes Interesse, von externen Energiequellen unabhängig zu werden, erneuerbare Energien auszubauen oder – besser noch, Energie zu sparen. „Die beste Energie ist die, die nicht gebraucht wird,“ sagt Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir, bei der Verleihung des Passivhaus-Zertifikats an das neue Varisano Klinikum Frankfurt Höchst. Der Satz könnte das Motto sein, nach dem das neue Klinikum als Passivhaus geplant und seit 2016 gebaut wurde. Begleitet wurde die Planungs- und Bauphase durch das Passivhaus Institut. Das Forschungsinstitut aus Darmstadt erstellte im Vorfeld eine Grundlagen-Studie, an der sich in Zukunft andere Kliniken orientieren können. Der Anfang ist gemacht. Die Klinik in Höchst –  fertig gebaut, ausgerüstet und frisch zertifiziert – soll Leuchtturmcharakter haben; als erste Passivhaus-Klinik der Welt. Im Herbst 2022 wird das hochmoderne Gebäude bezogen. Von 1600 Mitarbeitenden und 700 Betten. Außerdem ist Platz für 40 Tages-Patienten.

Wer mit Passivität etwas Negatives verbindet, sollte spätestens jetzt umdenken. Passivhäuser, vor allem Passiv-Krankenhäuser sind hochmoderne Systeme, die uns zumindest zum Teil aus unserem Energie-Schlamassel heraushelfen können. Zunächst einmal ist ein Passivhaus nichts anderes als ein Baukonzept, das dabei hilft, die benötigte Heizwärme auf ein Minimum zu reduzieren. Passivhäuser haben eine spezielle Wärmedämmung und dreifachverglaste Fenster, die dafür sorgen, dass wenig Wärme verloren geht und wenig Energie zugeführt werden muss.

Eine spezielle Lüftungsanlage und Solarpanel auf dem Dach gehören in der Regel auch zur Ausstattung. In diesem Fall wurde auf Solarpanel verzichtet, weil das Dach als Hubschrauberlandeplatz genutzt wird. Heizung und Strom braucht auch ein Passivhaus. Trotzdem ist die Energiebilanz herausragend, weil nichts verlorengeht. Passivhäuser brauchen etwa 90 Prozent weniger Heizwärme als andere Lösungen. Die Klinik hat einen Energiebedarf von einem Drittel gegenüber einer normalen Bauweise. Gleichzeitig muss niemand Angst haben, dass bei der OP das Licht ausfällt, wenn die Sonne nicht aufs Solarschild leuchtet.

Wenn es um Energiespar-Tipps zuhause geht, kommt schnell der Rat, man solle die Heizung runterstellen und einen Pulli mehr anziehen. Krankenhäuser können mit solchen Ideen wenig anfangen. Wer im Bett liegt und sich nicht gut bewegen kann, braucht es warm genug im Winter und kühl genug im Sommer. Im Passivhaus gelingt die Wohlfühltemperatur nicht durch Heizung hochdrehen, sondern durch eine perfekte Isolierung. Die 1000 dreifach-verglasten Fenster sorgen dafür, dass es an den Glasflächen im Gebäude praktisch keine Unterschiede zwischen Oberflächen- und Raumtemperatur gibt. Wenn draußen die Temperaturen unter den Gefrierpunkt fallen, ist am Fenster nichts davon zu merken. Es zieht nicht und die Luft kühlt nicht ab. Das gilt auch dann, wenn die Heizung ausfallen sollte. Durch die bessere Isolierung und das Belüftungssystem, kann das Gebäude die Wärme deutlich besser halten. Erst nach Tagen würde die Temperatur sinken. Bei normalen Häusern mit herkömmlichen Heizsystemen gehen die Temperaturen schon nach Stunden in den Keller. Im Passivhaus bleibt dank ausgefeilter Lüftungsanlage noch lange Wohlfühltemperatur.

Richtiges Lüften ist in den Räumen eigentlich nicht mehr nötig. Möglich ist es aber, denn die Fenster lassen sich selbstverständlich öffnen. Pflegekräfte hatten sich in der Planungsphase dafür stark gemacht, weil manchmal ein bisschen Luft von draußen in die Räume soll. Was sich hier zeigt: Es lohnt sich, die Mitarbeitenden in die Planung einzubeziehen, denn am Ende sind sie es, die viel Zeit im neuen Haus verbringen. Martin Menger, Vorsitzender der Geschäftsführung der Varisano-Klinikgruppe, erzählt begeistert von der neuen Wärmedämmung. „Der Klinikbau bringt ein völlig neues Krankenhausgefühl.“ Wie er betont, gilt das nicht nur für Patientinnen und Patienten, sondern auch für die Mitarbeitenden.

Dass das neue Klinikum nicht nur ein guter Ort für Patienten und ein Musterbeispiel an Energieeffizienz sein soll, sondern auch ein attraktiver Arbeitsplatz für alle Berufsgruppen, daran lässt Varisano keinen Zweifel. Alles, was man im Neubau berücksichtigen konnte, um das Arbeiten angenehmer zu gestalten, wurde getan. Die baulichen Strukturen wurden komplett neu und sehr pragmatisch gedacht. Alle Wege sind geschickter als im bisherigen Gebäude. Schon der Weg vom Hubschrauberladeplatz zum OP, zur Intensivstation oder in den Schockraum ist deutlich kürzer.

Sowohl im Großen als auch im Kleinen, sind die Strukturen im neuen Haus neu durchdacht. Alle Stationen sind gleich konzipiert, so dass sich Pflegekräfte nach einem Stationswechsel sofort orientieren können. Auch die Zimmer ähneln sich, alle verfügen über eine Nasszelle und alle sind ein bisschen größer als der Standard, „Höchster Zimmer“ wird dieser Schnitt genannt, der eigens für das neue Klinikum entworfen wurde. Hier kommen die Betten, wenn sie woandershin geschoben werden müssen, gut aneinander vorbei. Wenn das Rangieren entfällt, ist das nicht nur angenehmer für Pflegekräfte und Patienten, es spart auch Zeit – jedes Mal.

Kein Wunder, dass die Belegschaft sich auf den Umzug im Herbst freut. Das erste zertifizierte Passiv-Krankenhaus ist dann im Betrieb, sieben Jahre, nachdem 2016 mit dem Bau begonnen wurde. Interessant wird sein, ob das Beispiel Schule macht und andere Klinken nachziehen. Die Experten vom Passivhaus Institut hoffen natürlich, dass sich aus dem leuchtenden Beispiel ein Trend entwickelt. Die Erkenntnisse der Grundlagenstudie lassen sich auf andere Kliniken übertragen, das Konzept ist durchaus kopierbar. Dafür muss gar nicht immer ein neues Haus gebaut werden. Auch bestehende Häuser lassen sich energieeffizienter umbauen. Wer mit der vorhandenen Bausubstanz arbeitet, kann zwar nicht alles neu denken, besser denken bringt aber oft auch schon viel, wenn Energie eingespart werden soll. Vielleicht reicht es nicht immer zum Passivhaus, aber oft zur Energieersparnis. Und dass wir alle Energie sparen sollten, das immerhin haben wir gerade alle verstanden.

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